Theodor Kramer-Preis für Schreiben im Widerstand und im Exil
Theodor Kramer, mein Freund und Gefährte im Exil, war einer der letzten wahren Volksdichter. Wenn etwas den dummen deutschen Mythos von der „artreinen“ Bindung an „Blut und Boden“ widerlegt, dann sind es seine wunderbaren Schilderungen der Natur, der Landschaft, der Bauern und Häusler, der Glasbläser und Winzer, der Lehrer und Schreiber, der Schnaps-brenner und Budenwirte, der Soldaten und der einfachen Leute allenthalben und überall.
(Hilde Spiel)
Die 1984 gegründete Theodor Kramer Gesellschaft vergibt seit 2001 alljährlich einen Theodor Kramer Preis für Schreiben im Widerstand und im Exil. Gewürdigt werden soll mit ihm nicht die literarische Qualität allein, sondern darüber hinaus die Haltung und das Schicksal der Preisträgerin oder des Preisträgers.
Mit diesem Preis wird erstmals in Österreich eine große Literatur gewürdigt, die im Widerstand und im Exil entstanden ist und entsteht. Mit dem Preis will die Theodor Kramer Gesellschaft zugleich ein Zeichen setzen, dass in Österreich nicht alles in eine Richtung verläuft, dass dies ein Land mit seinem Widerspruch ist und im Widerspruch und Ringen mit sich selbst auch weiterschreitet.
Der Preis ist nicht allein Österreichern und Menschen, die aus Österreich vertrieben wurden, vorbehalten. Auch das Schreiben in deutscher Sprache ist keine Bedingung. Doch in all den Jahren der Zweiten Republik wurden aus Österreich vertriebene Autorinnen und Autoren höchst selten und nur dann mit Preisen bedacht, wenn sie entweder international schon vielfach preisgekrönt waren oder aber ihren Wohnsitz wieder in Österreich aufgeschlagen hatten.
Theodor Kramer hat das in seinem englischen Exil schon früh erkannt. Am 20. November 1955 schrieb er aus Guildford an den Germanisten Harry Zohn (USA):
In Österreich scheint man Rückkehr als Bedingung zu stellen dafür, dass man Notiz nimmt von meinem Werk. Dass Österreich eine eigene Diktatur hatte und an der Naziherrschaft nicht unschuldig war, davon will man durchaus ganz und gar überhaupt nichts mehr hören, ein Emigrant hat einen Buckel zu machen.
1957 ist Kramer nach Österreich zurückgekehrt, und am 15. Mai 1958 wurde ihm in der Tat ein österreichischer Literaturpreis, der Preis der Stadt Wien, zugesprochen. Allerdings war Kramer bereits am 3. April 1958 in Wien verstorben.
Spät, sehr spät erst wurde der Theodor Kramer Preis gestiftet, doch ist Verspätung kein Grund, Notwendiges zu unterlassen. Das Preisgeld beträgt Euro 7.300,- (ATS 100.000,-). Der Preis wird vom Land Niederösterreich, der Stadt Wien und der Kunstsektion des Bundeskanzleramtes gefördert und von der Grazer Autorenversammlung unterstützt.
Die Preisträgerin oder der Preisträger werden vom Vorstand der Theodor Kramer Gesellschaft auf Vorschlag einer Jury, der zuletzt Siglinde Bolbecher, Erich Hackl, Primus-Heinz Kucher, Eva Schobel und Daniela Strigl angehörten, bestimmt. Es ist ein Würdigungspreis, um den man sich nicht bewerben kann oder muss. Die Theodor Kramer Gesellschaft ist aber für Vorschläge, von welcher Seite immer, offen.
PreisträgerInnen:
2001 Stella Rotenberg (Leeds)
2002 Alfredo Bauer (Buenos Aires) und Fritz Kalmar (Montevideo)
2003 Fred Wander (Wien)
2004 Michael Guttenbrunner (Wien)
2005 Georg Stefan Troller (Paris)
2006 Milo Dor (posthum, Wien) und Robert Sommer (Wien)
2007 Jakov Lind (posthum, London)
2008 Tuvia Rübner (Merchavia/Israel)
2009 Josef Burg (Czernowitz) und Ilana Shmueli (Jerusalem)
2010 Elazar Benyoëtz (Jerusalem)
2011 Ruth Klüger (Irvine, Ca.)
2012 Eva Kollisch (New York)
2013 Margit Bartfeld-Feller (Tel Aviv) und Manfred Wieninger (St. Pölten)
2014 Herbert Kuhner (Wien)
Die Literatur des Exils ist kein abgeschlossenes Kapitel. Das zeigt sich allein schon darin, dass inzwischen etliche neue Bücher der Preisträgerin und der Preisträger erschienen sind oder in nächster Zeit erscheinen werden. Von Fritz Kalmar die Erzählbände „Casanovas Rückkehr“ und von Stella Rotenberg die gesammelten Gedichte „An den Quell“, von Alfredo Bauer die Szenenfolge „Anders als die anderen. 2000 Jahre jüdisches Schicksal“ und der große Roman „Verjagte Jugend“.
Der Preis wird in Zusammenarbeit mit dem Unabhängigen Literaturhaus Niederösterreich in Krems verliehen. In Wien wird die Preisträgerin oder der Preisträger in Zusam-menarbeit mit der jüdischen Hilfsorganisation ESRA, die auch ein beachtliches Kulturprogramm bietet (Ausstellungen, Vorträge, Lesungen), präsentiert.
Die Theodor Kramer Gesellschaft bemüht sich, der jeweiligen Preisträgerin oder dem jeweiligen Preisträger auch weitere Lesungen zu ermöglichen, u.a. in Zusammenarbeit mit dem Adalbert-Stifter-Institut (Linz), dem Literaturhaus Salzburg, dem Geschichtsverein Clio (Graz). Und zugleich setzt sie sich auch für die Veröffentlichung der Bücher der PreisträgerInnen ein.