Der Theodor Kramer Preis für Schreiben im Widerstand und im Exil 2005 an Georg Stefan Troller
Der mit Euro 7.300,- dotierte Theodor Kramer Preis für Schreiben im Widerstand und im Exil ging im Jahr 2005 an den in Paris lebenden Georg Stefan Troller. Das beschloß der Vorstand der Theodor Kramer Gesellschaft auf Vorschlag der Jury (Siglinde Bolbecher, Erich Hackl, Primus-Heinz Kucher, Daniela Strigl). Troller, für seine Fernsehdokumentationen und Drehbücher wiederholt ausgezeichnet, wurde damit erstmals für sein umfangreiches literarisches Werk geehrt.
Der Preis wurde ihm am 21. Mai 2005 in der ehemaligen Minoritenkirche in Krems-Stein (Niederösterreich) feierlich verliehen. Die Laudatio hielt der Schriftsteller, Schauspieler und Drehbuchautor Felix Mitterer. Vertonungen von Gedichten Theodor Kramers spielte der Autor und Liedermacher Hans Eckart Wenzel (Berlin). Weitere Veranstaltungen mit dem Preisträger fanden im Zuge dessen im Literaturhaus Salzburg, im Adalbert Stifter-Institut, Linz, und in den Räumen der ESRA, Wien, statt.
Kurzbiographie des Preisträgers
Troller, geboren 1921 in Wien, besuchte die Mittelschule Gymnasiumstraße in Wien-Döbling, flüchtete im November 1938 in die Tschechoslowakei, im April 1939 nach Frankreich, wo er von September 1939 bis Juni 1949 als "feindlicher Ausländer" interniert wurde. 1941 gelangte er nach neuerlicher Internierung in Casablanca (Marokko) nach New York, wo er sich u.a. als Buchbinder durchschlug. 1943 wurde er US-Bürger und diente von März 1943 bis Mai 1946 freiwillig in der US-Army. Nach einem Anglistik-Studium in den USA kehrte er 1949 nach Europa zurück und studierte in Wien und Paris Theaterwissenschaft. 1951-58 war er als Radiojournalist für die Stimme Amerikas in Paris tätig. 1962-94 drehte er für WDR und ZDF die Fernsehserien "Pariser Journal" (50 Folgen) und "Personenbeschreibung" (75 Folgen).
Troller ist zudem Autor von Dokumentarfilmen, u.a. über Jack Londen, Arthur Rimbaud, B. Traven, Paul Gauguin, Simone Weil. 1995 entstand sein Film "Unter Deutschen - Eindrücke aus einem fremden Land".
Parallel zu seinem Filmschaffen hat sich Georg Stefan Troller zum Schriftsteller entwickelt, dessen zentrales Thema mehr und mehr und immer unabweislischer die Erfahrung von Vertreibung und Exil geworden ist. Das Exil erscheint ihm als exemplarisch für den gegenwärtigen Weltzustand. 1982 sagte er von den sogenannten "Emigranten", die in Wahrheit Flüchtlinge, Exilanten waren:
... ich glaube, wir waren die ersten in der Weltgeschichte, die gründlich gespürt haben, was heute jeder als geheime Überzeugung in sich trägt: daß er nur als Funktionsträger irgendwie von Wert ist, als Teil der Volkswirtschaft, als Glied in der Kette, daß ihm aber als bloßes Individuum von seiten seiner Umwelt keinerlei Bedeutung zusteht. Es ist der unerträglichste Zustand, den es gibt, und es ist der, in dem sich der Mensch in unserer heutigen Zivilisation befindet.
Ein Dreh- und Angelpunkt der Entwicklung Trollers war die langjährige Zusammenarbeit mit dem österreichischen Regisseur und Autor Axel Corti (1933 - 1993), von einem Dokumentarfilm über die Jugend Adolf Hitlers (1975) bis zu der großen Trilogie "Wohin und zurück" (1985), in welcher die Vor- und Nachkriegszeit aus der Perspektive des Exils dargestellt werden.
In seinen Schriften erweist sich Georg Stefan Troller nicht nur als ein kluger Beobachter, der sich auf präzise Notation versteht, sondern auch als ein unerbittlicher Kritiker österreichischer Nachkriegsentwicklungen, in denen sich oft genug unter Berufung auf den Opferstatus Österreichs (als von Hitlerdeutschland besetztes Land) gerade jene Haltungen reproduzierten, die eher einer Mittäterschaft an den Verbrechen des Nationalsozialismus entsprachen.
In seinem im Jahr 2004 erschienenen Buch, "Das fidele Grab an der Donau", zeichnet er die vielfältigen kulturellen und literarischen Einflüsse und Strömungen nach, die ihn im Wien vor 1938 als Heranwachsenden anzogen und prägten. Doch begleiten die großen intellektuellen Gestalten wie Karl Kraus, Peter Altenberg, Ödön von Horvath, Franz Werfel, Alfred Polgar bereits die Vorzeichen eines sich radikalisierenden Antisemitismus und ein politsches System, das den Weg zur Selbstaufgabe bereits beschritten hat.
Mit nicht zu besänftigendem, oft jäh aufflammendem Zorn vergegenwärtigt Georg Stefan Troller den Verlust. Er erinnert an Künstler, Dichter, kreative Menschen, deren Werke und Schicksale bleibendes Gedenken verdienen, und erhebt Einspruch gegen umstandsloses und selbstgefälliges Sich-Abfinden mit dem Geschehenen. Er weist auf die kulturelle und menschliche Verödung hin, die durch Verfolgung und Vertreibung der jüdischen Intellektuellen und KünstlerInnen entstanden ist.