Der Theodor Kramer Preis für Schreiben im Widerstand und im Exil 2008 an den israelischen Lyriker Tuvia Rübner
Tuvia Rübner, 1924 in Bratislava (Pressburg) geboren und dort aufgewachsen, kommt aus einer österreichisch-jüdischen Familie. Er überlebte den Nationalsozialismus als einziger seiner Familie – konnte 1941 im letzten Augenblick mit einer kleinen Jugendgruppe über den Landweg nach Palästina flüchten.
Im Juli 1942 erhielt Rübner über das Rote Kreuz eine letzte Nachricht:
... sind ausgesiedelt nach Generalgouvernement ehemaliges Polen. Neues Domizil erfahret durch Jüdische Soziale Selbsthilfe Krakau, Postfach Nr. 211.
Sein weiteres Leben blieb von persönlichen Katastrophen nicht verschont. 1950 starb seine erste Frau bei einem Autobusunfall, er selbst wurde sehr schwer verletzt; sein Sohn Moran verschwand 1983 in Südamerika. Rübner arbeitete als Schafhirte im Kibbuz Merchavia, dann als Bibliothekar; war in den 1960er Jahren Abgesandter der Jewish Agency in der Schweiz. 1992 emeritierte er als Professor für Vergleichende Literaturwis-senschaft an der Universität Haifa.
Rübner hat als ein leidenschaftlicher Photograph das Leben in seinem Kibbuz Merchavia dokumentiert. In Israel wurde er durch die Dichter und Literaturwissenschaftler Werner Kraft und Ludwig Strauss unterstützt. Seine frühen Gedichte gehen auf die 1940er Jahre zurück – zunächst in Deutsch, dann wechselte er ins Hebräische, 1957 erschien sein erster hebräischer Lyrikband, dem zwölf weitere folgten. Seit den 1990er Jahren schreibt er auch wieder deutsch und übersetzt seine Gedichte selber ins Deutsche.
Tuvia Rübner ist als Lyriker, Übersetzer (ins Hebräische, u.a. Franz Kafka und Paul Celan, und vom Hebräischen ins Deutsche, Samuel Agnon, Dan Pagis) und als Herausgeber (Lea Goldberg, Ludwig Strauss) in Israel und Deutschland bekannt und mit Preisen ausgezeichnet worden – zuletzt erhält er am 8. Mai 2008 den Israel-Preis für Poesie. Seit 1990 erschienen sechs Lyrikbände in deutscher Sprache, u.a. Rauchvögel (1998), Zypressenlicht (2000), Wer hält diese Eile aus (2007) und die Erinnerungen Ein langes kurzes Leben. Von Pressburg nach Merchavia (2004). Rübner lebt mit seiner Frau Galila in Merchavia im Norden Israels.
Sprache ist ihm kein Trostmittel, sie verspricht keine Heilung. Sie ist ihm vielmehr der quälende, beunruhigende Weg zwischen Rede und Verstummen. Oft versenkt er den fragenden Blick in die Bilder alter Meister und in die von Städten, sucht in den kleinsten Dingen noch Antwort. Rübners Dichtung unternimmt es, der Furie des Verschwindens Einhalt zu gebieten, schafft im Fluss der Worte kunstvoll Zwischenräume und Atempausen. „In Österreich ist man sich der Bedeutung seiner stillen, hoch konzentrierten Dichtung noch zu wenig bewusst.“ (Gertrud Spat)
Am Freitag, 16. Mai 2008 wurde Tuvia Rübner in der ehemaligen Minoritenkirche in Krems-Stein der Preis verliehen. Über Tuvia Rübner sprach Gertrud Spat (Innsbruck). Die Laudatio hielt Konstantin Kaiser. Tuvia Rübner las aus seinem Werk. Am Klavier: Galila Jisreeli-Rübner. Weitere Lesungen und Gespräche mit Tuvia Rübner fanden danach in Linz, Salzburg, Wien, Warmbronn und München statt. Die Veranstaltungen in Österreich standen unter der Schirmherrschaft des israelischen Botschafters in Österreich, Dan Ashbel.
Der Theodor Kramer Preis wird alljährlich verliehen durch die Theodor Kramer Gesellschaft in Zusammenarbeit mit dem Unabhängigen Literaturhaus NÖ (ULNOE) und der Grazer AutorInnenversammlung (GAV). Er ist mit Euro 7.300,- dotiert und wird unterstützt vom Land Niederösterreich, dem Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur und der Stadt Wien.