1934: Der Beginn der Diktatur

Die Jahre 1933/1934 sind klarerweise Wendejahre auch für Theodor Kramer. Zwar findet er erst ab 1933 stärkeren Zugang zum Literaturbetrieb - im Jänner 1933 nimmt er an der Gründungsversammlung der "Vereinigung sozialistischer Schriftsteller" in Wien teil und wird in den Vorstand, ein Jahr später sogar zum Obmann-Stellvertreter gewählt (u. a. gehörten Josef Luitpold Stern, Else Feldmann, Adele Jellinek, Fritz Brügel, Rudolf Brunngraber, Ernst Waldinger, Oskar Maria Graf, Hermynia Zur Mühlen der Vereinigung an) -, gleichzeitig aber reduzieren sich zuerst im Deutschen Reich ab Jänner 1933 und nach dem Bürgerkrieg vom Februar 1934 auch in Österreich die Publikationsmöglichkeiten eklatant.
Die Berliner "Literarische Welt" diskreditiert Th.K. Ende April 1933 durch ihren Abdruck des Gedichtes „Maifeuer“ insofern, als zugleich regimefreundliche Texte anderer AutorInnen abgedruckt werden und sich sein unpolitischer Text dadurch politisch instrumentalisiert findet. Th.K. protestiert in der Wiener "Arbeiter-Zeitung" gegen diese Vorgangsweise und nimmt den Vorfall zum Anlaß, seine Arbeiten aus Hitler-Deutschland zurückzuziehen.
Das Verbot der Sozialdemokratie, ihrer Nebenorganisationen, so auch der Vereinigung sozialistischer Schriftsteller, und der Arbeiterpresse im Austrofaschismus ab Februar 1934 treffen den Lyriker schwer. Es sind Freunde und Freundinnen, die Th.K. finanziell unterstützen, so u.a. Otto Basil, Anna Blaukopf, Fritz Hochwälder, Leopold Liegler, Viktor Matejka, Johann Muschik, Erika Mitterer, Paula von Preradović und Rosa und Otto Spranger. Es werden Lesungen in Privatwohnungen, z. B. bei Viktor Matejka, und die Einhebung eines "Kramer-Schillings" durch Freunde organisiert.
1936, im Jahr nach dem Tod des Vaters Max Kramer, erscheint der bis dahin umfangreichste Gedichtband Theodor Kramers im Wiener Gsur-Verlag unter dem Titel "Mit der Ziehharmonika". In ihm sind Texte aus den Jahren 1927 bis 1935 versammelt, die den Autor als Dichter der Not und Armut, der Dörfler und Subproletarier, der Ränder und der existentiellen Ausgesetztheit einen festen Platz in der österreichischen Literaturgeschichte verschaffen.
„Fremd war Kramer das austromarxistische Leitbild vom ´Neuen Menschen´, der aus dem Industrieproletarier wachsen sollte, fremd war ihm jede sozialistische Asketik [...] und fremd war ihm jene zugleich grandiose und gefährlich abstrakte Orientierung auf eine bessere Zukunft hin, auf eine Welt jenseits der Entfremdungen. Kramer benötigte das Ideal vom Neuen Menschen nicht, um die Würde des Menschen zu entdecken und so seinen Anspruch auf Veränderung der entwürdigenden Verhältnisse zu legitimieren; ihm genügte dieser Mensch, um mit Wut und Zuneigung, Beharrlichkeit und Unversöhnlichkeit in abertausenden Gedichten von ihm zu sprechen.“ (Karl Markus Gauß: Th.K. 1987 - 1958. Dichter im Exil. Arbeiterkulturverein Salzburg 1983, S. 5f)